Erzbischof Dr. Robert Zollitsch am 11. Februar 2013

„Die Nachricht vom Rücktritt unseres Heiligen Vaters bewegt mich zutiefst. Papst Benedikt gibt aller Welt ein leuchtendes Beispiel wirklichen Verantwortungsbewusstseins und lebendiger Liebe zur Kirche. Christus hat ihm durch die Kardinäle das Petrusamt anvertraut. In der Stunde, in der seine Kräfte zu gering werden, um der Kirche den erforderlichen Dienst zu erweisen, legt er dieses Amt zurück in Gottes Entscheiden. Es ist eine große menschliche und religiöse Geste. Wir deutschen Bischöfe danken dem Heiligen Vater für seinen Dienst auf dem Stuhl Petri und sind erfüllt von großem Respekt und von Bewunderung für seine Entscheidung.

Wer Papst Benedikt in den zurückliegenden Jahren persönlich erleben durfte und seine Botschaft aufmerksam aufnahm, der spürte deutlich, worin er seinen wichtigsten Dienst sieht und worum es ihm zuerst und im Innersten geht: um Gott und damit um den Menschen. Kurz und prägnant kommt dies im Leitwort zum Ausdruck, dass er für seine Apostolische Reise nach Deutschland im September 2011 wählte: †šWo Gott ist, da ist Zukunft!†˜

Papst Benedikt ist ein großer Lehrer unserer Kirche. Dabei hat Joseph Ratzinger ein bleibendes Anliegen, das sich gleichsam wie ein roter Faden durch sein Leben und Wirken zieht. Er will Glaube und Vernunft miteinander versöhnen. Ja, Papst Benedikt ist in vielerlei Hinsicht ein Pontifex: Er wollte Brücken bauen zwischen Glaube und Vernunft, Brücken hin zu Gott, Brücken zwischen Konfessionen und Religionen, um so dem Frieden der Welt den Weg zu bereiten und dem Reich Gottes Wachstum zu schenken.

Papst Benedikt ist ein überzeugter und überzeugender Hirte seiner Kirche. Um was er bei seinem Gebet an der Mariensäule in München im Jahr 2006 die Gottesmutter für alle Gläubigen bat, das zeichnete ihn aus: †šHilf uns, geduldig und demütig zu werden, aber auch frei und mutig†˜.

Das Bild des Hirten hat ihn als Papst geprägt. Unvergessen sind seine drei Besuche bei uns in Deutschland: anlässlich des XX. Weltjugendtages 2005 in Köln und ein Jahr später in seiner bayerischen Heimat. Im September 2011 kam er zu einem offiziellen Besuch: Berlin, Erfurt, das Eichsfeld und Freiburg bleiben unvergessliche Momente einer Pilgerreise, die die Kirche in Deutschland tief berührt hat. Wir sehen dankbar Bilder vor uns, wie er Menschen segnet, Kinder umarmt, sich seinen Gesprächspartnern zuwendet und in der großen Gemeinschaft des Glaubens Liturgie feiert. Der Hirte seiner Herde ist demütig im Auftritt, authentisch im Zeugnis und überzeugend in den Worten, die er wählt.

Die Religionen haben den Papst gehört, die Politik hat ihn um seine Meinung gebeten. Nicht zuletzt seine drei Enzykliken sind der deutlichste Garant dafür, worum es dem Papst ging: Eine gerechte, solidarische und friedliche Welt, die sich ihrer Verantwortung vor Gott und den Menschen stellt. Gerade in seiner Enzyklika †šCaritas in veritate†˜ hat uns der Heilige Vater eine Magna Charta einer gelingenden Globalisierung hinterlassen, die sich um sozialen Ausgleich und die Bewahrung der Schöpfung mit aller Kraft bemüht.

Die Kirche in Deutschland und die Deutsche Bischofskonferenz sind Papst Benedikt zutiefst dankbar für sein Wirken und sein unermüdliches Engagement. Der deutsche Papst wird nun das Ruder der Kirche weitergeben. Er wird uns fehlen. Aber es wird viel von ihm bleiben, denn Theologie und Kirche hat er nachhaltig geprägt, als Brückenbauer, als Hirte seiner Herde, als Wissenschaftler und Lehrer. Wir wissen, dass er seine Lebenskraft weiterhin in den Dienst der Menschen stellen wird. Wir wünschen ihm dazu die nötigen Kräfte und empfehlen ihn dem Segen Gottes, in dem er geborgen ist. Die Deutsche Bischofskonferenz wird im Gebet in besonderer Weise den Heiligen Vater begleiten.“


Erzbischof Dr. Robert Zollitsch, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, in der Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz am 18. Februar 2013 in Trier

„In gewisser Weise hatte ganz Deutschland Anteil an der Ehre, die Joseph Kardinal Ratzinger zuteilwurde, als ihn die Kardinäle im Konklave am 19. April 2005 zum Bischof von Rom und Nachfolger Petri wählten. †šWir sind Papst†˜, hieß es in einer Mischung von Stolz und Freude. Heute, nach acht Jahren, überwiegt das Empfinden tiefen Respekts und Dankes, in das sich aber auch durchaus Wehmut mischt. Ein Abschied tut immer auch weh, zumal dann, wenn es um vertraute und verehrte Personen geht.

Papst Benedikt XVI. hat zeitlebens darum gerungen, das unfassbare Geheimnis Gottes zu ergründen. In großer Demut will er Gott näher kommen und sich mit allen Sinnen von Ihm selbst offenbaren lassen, wer Gott ist und was Gott für den Menschen will: Betend und in der Feier der Sakramente, aber auch mit den spezifisch menschlichen Mitteln der Vernunft und in der stets neuen Durchdringung der Heiligen Schrift, der Lehre der Väter und der Weisungen der Kirche ist sein Leben der Annäherung an Gott gewidmet.

Diese Grundentscheidung seines Lebens prägt unseren Heiligen Vater auf so transparente Weise, dass die Menschen ihn als geistliche und geistige Autorität verehren. Das tun sogar die Meisten derer, die ihn wegen einzelner Entscheidungen oder Einstellungen nicht verstehen können oder wollen. Wir sind deshalb gut beraten, seine Entscheidung, in wenigen Tagen das Bischofsamt niederzulegen, als das anzuerkennen, was sie sein soll: Ausdruck eines gläubigen Lebens, das um beides weiß: um die Würde des Menschen, die darin besteht, getragen von der Sendung der Kirche, Gott in dieser Welt zu bezeugen; das aber auch um die Endlichkeit des Menschen weiß, die ihn motiviert, die engen Grenzen der eigenen Kraft anzuerkennen und im Letzten aus dem Vertrauen darauf zu leben, dass Gott und nicht der Mensch das Gelingen bringt.

Als der Heilige Vater vor zwei Jahren bei uns in Deutschland war, hat er wieder und wieder darauf gedrängt, dass die Kirche aus den ihr eigenen, transzendenten göttlichen Quellen das Wasser ihrer Vitalität schöpft und nicht im Trüben einer zu vertrauensseligen und enttäuschungsgefährdeten Nutzung der Kräfte dieser Welt fischt. Auf das richtige Verhältnis der Kirche zur Welt hat er besonders in seiner Programmrede bei uns im Konzerthaus in Freiburg gedrungen. Heute wissen wir mit mehr Ruhe als damals, dass er die richtige und wichtige Botschaft seines Lebens zur Geltung bringen wollte: Schöpft aus den Quellen des Heils und lasst Euch das Heil von niemand anders schenken als vom Herrn.

Diese Botschaft bestimmte in der Tat sein Reden und Handeln während der gesamten Zeitspanne seines Pontifikats. Das Menschenbild gewinnt seine Konturen aus dem Gottesglauben und Benedikt XVI. hat deshalb zeitlebens ein sehr positives Bild vom Menschen gehabt; denn der Mensch spiegelt Gott als dessen Ebenbild und wurde erlöst und heimgeholt in Gottes Nähe durch unseren Herrn Jesus Christus. Besonders sind es die ästhetischen Kräfte und die Vernunft, die den Menschen auszeichnen – und Papst Benedikt XVI. würde hinzufügen: sein Liebesvermögen. Deshalb war er so gerne und leidenschaftlich Theologe: Mensch, der mit allen Kräften der Vernunft die Selbstoffenbarung Gottes erfassen und zur Geltung bringen möchte. Jeder von uns hat sich immer wieder von der Sprach- und Überzeugungskraft des Oeuvre von Joseph Ratzinger leiten und an die Hand nehmen lassen; zuletzt wohl zum vergangenen Weihnachtsfest, als er uns zum Abschluss seiner Jesustrilogie den †šProlog†˜ zu den Kindheitsgeschichten schenkte.

Ich bin sicher, dass die hohe Meinung, die der Heilige Vater in Bezug auf den Menschen hegt, tief in den Erfahrungen seines Elternhauses gründet und im Glaubensleben des jungen Joseph Ratzinger seine Grundlage hat. Die Geborgenheit in einem Raum der Liebe lässt ihn zu den Grundüberzeugungen des Lebens kommen. Umso deutlicher hat Papst Benedikt XVI. immer auch ein Empfinden für das Entwürdigende menschlicher Bosheit und menschlichen Versagens. Nicht, dass er tragische und traurige Entwicklungen im Menschlichen und Gesellschaftlichen eben einfach geißeln und lieblos denunzieren würde. Einem seiner zuvor engsten Mitarbeiter stattete er im Gefängnis einen Besuch ab. Aber er wollte klar sein in seinen Bewertungen. Dies betrifft die Oberflächlichkeiten und Verwerfungen einer Gesellschaft, die sich von ihren christlichen Wertewurzeln trennt, genauso wie das Versagen derer, die nicht auf Aussöhnung und gerechten Frieden hinwirken, sondern der Gewalt in ihren vielen Formen ihren Lauf lassen. Nein, Papst Benedikt XVI. hat es sich nicht nehmen lassen, die destruktiven und lebensfeindlichen Kräfte der Welt und der Menschen beim Namen zu nennen.

Dies alles aber im Geist der Ehrlichkeit und Selbstkritik. Keiner hat wie er die Fehlbarkeit und Versuchbarkeit der Kirche selbst offen ausgesprochen. Ehrlich hat er von den entsetzlichen Wunden gesprochen, die Priester und andere Repräsentanten der Kirche jungen Menschen auf Lebenszeit zufügten, indem sie sie durch sexuelle Gewalt erniedrigten. In Rom und während vieler seiner Reisen fand er klare Worte der Verurteilung sexuellen Missbrauchs und er ließ durch seine Treffen mit Betroffenen den Worten auch Taten folgen.

Wenn Papst Benedikt XVI. aus der Freiheit, die der Glaube schenkt, destruktive und falsche Seiten in der Gesellschaft und des kirchlichen Lebens offen ansprach, so doch niemals mit lauten Tönen und schon gar nicht in selbstgerechter Tonalität. Er wollte – das hat er immer wieder gesagt – ein †šdemütiger Arbeiter im Weinberg des Herrn†˜ sein und jemand, der um die wunderbare Kraft der Barmherzigkeit weiß. Auch um die Kraft des Mitleids, für die uns als Beispiel die schönen Worte während des Mailänder Familienkongresses 2012 in Erinnerung sind, als er davon sprach, wie sehr es ihn umtreibt, dass in der modernen Gesellschaft das familiäre Zusammenleben so fragil und schwierig geworden ist und dass die Kirche allen Betroffenen als Brüdern und Schwestern nahe sein muss. Wahrheit, Klarheit und Barmherzigkeit sind drei Säulen des Denkens und Handelns, die uns aus dem jetzt zu Ende gehenden Pontifikat in besonderer Weise erhalten bleiben. Wie unendlich schwer es sein kann, barmherzig zu sein, hat Benedikt XVI. zuletzt selbst erleben müssen, als er im engsten Kreis der Vertrauten hintergangen wurde und man ihm nicht einmal diesen wichtigen Ort des Schutzes und der persönlichen Vertrautheit gönnte.

Der Heilige Vater wusste, politische Akzente zu setzen, vor allem im Zusammenhang seiner Reisen. Als Beispiele nenne ich nur die Reisen nach Polen, wo er, der Papst aus Deutschland, auch das Konzentrationslager Auschwitz besuchte; oder die Aufenthalte im Nahen Osten, besonders in Israel und Palästina oder auch in den Vereinigten Staaten von Amerika und in Australien. Genauso hat es der Heilige Vater in Bezug auf die ökumenische Annäherung der Kirchen und Gemeinschaften nie an mutigen Schritten und Initiativen fehlen lassen. Das betrifft besonders die Kirchen der Orthodoxie, vor allem Russlands. Auf die großen Religionen ist der Papst zugegangen und sie haben es ihm gedankt, vor allem die Juden und die Welt des Islam.

Nicht alles ist Papst Benedikt XVI. geglückt. Er fand Kritik und konnte die unendlich vielen, so spannungsvoll aufeinander bezogenen Erwartungen so Vieler in aller Welt natürlich nicht erfüllen. Das zu sagen, ist eine Selbstverständlichkeit und Teil der Ehrlichkeit, die Papst Benedikt XVI. wünscht und praktiziert. In die Geste der Hinwendung zur Priesterbruderschaft Pius X. zum Beispiel hat er viel Kraft investiert und konnte nicht zum Ziel kommen. Deren Unverständnis ist er ebenso ausgesetzt wie der Enttäuschung Anderer auf der anderen Seite des kirchlichen Spektrums, die sich bestimmte kirchliche Reformschritte erwarteten.

Papst Benedikt XVI. hat darunter sehr gelitten. Doch er hat seinen Dienst unbeirrt und beharrlich wahrgenommen im Wissen, dass er im Auftrag eines Anderen, eines Größeren, steht. So hat er in der Nachfolge Christi auch Anfeindung und Unrecht getragen. In seiner römischen Ansprache zum Wochenbeginn hat der Papst um Nachsicht für alle seine Fehler gebeten. Ich möchte als Vorsitzender unserer Bischofskonferenz den Heiligen Vater umgekehrt um Verzeihung bitten für alle Fehler, die vielleicht aus dem Raum der Kirche in Deutschland ihm gegenüber begangen wurden. Vor allem aber mache ich mich zum Sprecher der vielen Millionen Menschen in Deutschland und aller Gläubigen, die einen sehr großen Dank für seinen Dienst empfinden: die sich von ihm geistlich genährt und im Glaubensbemühen unterstützt fühlen; die seinen Dienst als Guter Hirte und Brückenbauer als großartig erlebt haben. Ich möchte mit großem Nachdruck danke schön dafür sagen, dass unser Heiliger Vater unsere Freude daran genährt hat, katholisch zu sein und in der Kirche eine Heimat zu finden, die kein Tod und keine Macht dieser Welt uns nehmen kann.“


Zusammen mit zahlreichen Gläubigen und dem Erzbistum Berlin hat die Deutsche Bischofskonferenz sich am 28. Februar 2013 bei Papst Benedikt XVI. mit einem Dankgottesdienst in der St.-Hedwigs-Kathedrale in Berlin für sein Pontifikat bedankt.
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Predigt von Erzbischof Dr. Robert Zollitsch im Dankgottesdienst für deutsche Pilger zum Ende des Pontifikats von Papst Benedikt XVI. in der Kirche Santa Maria in Traspontina (Rom) am 27. Februar 2013

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